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GASTRONOMIE in Cádiz

 

Spanische Küche ist bekannt in Deutschland. Paella, Sangria, Gambas al ajillo, Dorade, Tortilla, Calamares fritos (frittierte Tintenfischringe).  Und darüber hinaus? ...Ist das Wissen einigermassen begrenzt. Dabei hat Spanien in den letzten Jahren geradezu einen gastronomischen Hype erlebt. Die spanische Küche ist unglaublich vielfältig. Sie hat hat Fantasie, sie ist kreativ, sie ist innovativ und sie hat in der Geschichte die Basis gelegt für viele Gerichte aus aller Welt. An den meissten Besuchern geht diese Vielfalt (noch) vorbei.

 

Immerhin hat Spanien Anfang des Jahres 2021 zwölf 3 Sterne-Köche. Im Vergleich dazu: Italien 10, Deutschland 10, Schweiz 3 und Österreich 1. Die Provinz von Cádiz mischt ganz vorne mit. 1x 3 Sterne und 3X 1 Stern. Das kann sich sehen lassen, aber das kommt nicht von ungefähr.

Bereits Strabon - ein griechischer Geschichtsschreiber  (ca. 63 v. Chr. -  23 n. Chr.) - legte seinen Lesern ans Herz einmal in ihrem Leben nach Cádiz zu reisen um die fantastischen Gerichte aus Fisch und Meeresfrüchten zu geniessen. Luftgetrockneter Thunfischschinken wurde damals schon bis nach Griechenland exportiert, ebenso Olivenöl, eine Sauce aus vergorenem Fisch und der Vinum Ceretensis – Wein aus Jerez – bis hoch auf die britischen Inseln. Der Wein ist übrigens noch heute in aller Munde: Sherrywein. Auch wenn er heute etwas anders schmeckt, aber dazu später mehr.

 

Besonders die südwestlichste Ecke Spaniens, also Cádiz, unterlag in den letzten drei Jahrtausenden dem Einfluss zahlreicher Kulturen. Afrika vor der Haustüre, Sprungbrett nach Amerika und Dreh- und Angelpunkt für den Seehandel vor dreitausend Jahren, vor zweitausend Jahren und im ganzen letzten Jahrtausend. Der Hafen von Algeciras in Cádiz war noch 2014 unangefocheten der erste Hafen des Mittelmeers und fünfter der Welt was den Umschlag von Containeren betrifft. Heute wechseln sich Valencia, Algeciras und Tanger Med auf diesem Posten jährlich ab.

 

Auf diesem Wege fand ein unglaublicher Kulturaustausch statt und genau dieser wird heute durch den Tourismus wiederbelebt. Neue Impulse kommen laufend dazu und die Vielfalt der Gerichte hat sich gereadezu explosiv entwickelt. Die Gaditanos (Bewohner von Cádiz) haben heute einen enormen Spass daran exotische Gerichte zu kosten, Rezepte auszuprobieren und mit Zutaten zu experimentieren. Das ist neu und es ist aufregend.

 

Mittlerweile kann man in Cádiz an der Küste des Lichts nicht nur Geschichte trinken sondern sogar das Licht selbst. Es gibt Mortadella aus Fisch, Tartar aus Thunfisch, Salat aus Algen und sogar klassische Gerichte werden völlig neu erfunden. Die typische Gazpacho Andaluz, die traditionelle Tomatenkaltschale, neu erfunden auf Basis von Erdbeeren, ist eine Offenbarung. Thunfisch Carpaccio mit einem Hauch Wasabi und Mangocreme ist eine Geschmacksexplosion und der Gin aus Cádiz ist nicht farblos sondern hat die goldene Farbe und Klarheit des so berühmten Lichts von Cádiz. Nicht umsonst heisst seine Küste Costa de la Luz, die Küste des Lichts.

 

Aber auch die traditionelle Küche überrascht noch heute die meissten der unbedarften Besucher. Disteln stehen in der Landküche ganz oben auf dem Speisezettel und natürlich wilder Spargel. Aber auch Wildschweinbraten, Hirschgulasch oder Rehschnitzel wird man hier am allerwenigsten erwarten. Das alles natürlich landestypisch gewürzt – ein ganz neues Geschmackserlebnis. Vor allem in Medina Sidonia und Umgebung wird man auf der Suche nach Wildgerichten leicht fündig.

 

Auch hervorragendes Rindfleisch gibt es in der Provinz. Einheimische Rassen haben ein gutes Leben auf freiem Felde. Die in Cádiz einheimischen Retinto-Rinder z.B. waren schon den Griechen bekannt und gelten als die Urmütter der Argentinischen Rinder.

 

Selbstverständlich gibt es auch frische Austern die in den Salinen grossgezogen werden. Etwas gewöhnungsbedürftiger sind da schon frittierte Seeanemonen (ortiguillas del mar) oder Seeigeleierpaté. Andalusien ist die Wiege der Frittierkunst. Und so landete vieles von hier und fast alles was später aus Amerika dazukam in heissem Olivenöl. Frittierter Fisch und Meeresfrüchte ist eine Kunst, die hier zur Hochform gelaufen ist und ihren Weg bis nach Japan gefunden hat (Tempura). In den Restaurants an der Küste bekommt man dann auch fast alles was das meer zu bieten hat frittiert oder auch auf andere Art zubereitet. Das alles hier aufzuzählen geht an dieser Stelle zu weit. Dringend empfohlen wird  aber, sich bei einem Besuch in Cádiz Stadt, El Puerto de Santa María oder Sanlucar de Barrameda auf die Suche nach den besten Fischtheken zu machen.

 

Frittiert wurden und werden hier sogar Tomaten, fein abgeschmeckt mit Zucker und etwas Essig. Das Ergebnis kann man sich vorstellen. Heraus kommt „Tomate frito“ eine leckere Sauce, quasi die Urform des Ketschups, die gerne zu vielen einfachen Gerichten gereicht wird. Gerichte, die so simpel sind, dass man sie nur noch selten in den Restaurants findet. Ein weiterer Ankömmling aus Amerika mutierte sogar zum klassischen Weihnachtsessen in ganz Spanien. Der Truthahn. Der allerdings wird nicht frittert. Sehr wohl aber Kartoffeln. Ohne „papas fritas“ läuft in Andalusien fast gar nichts. Da darf man sich nicht wundern. Wirklich beliebt bei Besuchern sind dafür die frittierten grünen Spitzparika mit nichts weiter ausser ein paar Krümmeln Flor de Sal aus den Salinen von Cádiz. Die schönen Kristalle die auf der Oberfläche des Wasser wachsen und nur an windfreien Tagen geerntet werden können, sehen fast aus wie Schneeflocken oder kleine Pyramiden. Ein Genuss der im Sommer in keiner Strandbar fehlen darf. Und dazu ein Tinto de Verano. Ein Rotwein auf Eis mit Zitronenlimmo.

 

Die Paella hat hier übrigens nicht ihr Zuhause und auch keine grosse Fangemeinde. Aber in der Provinz gibt es viele Reisfelder und selbstverständlich auch unzählige Reisgerichte. Die allerdings, werden im Tontopf gegart und sind um einiges saftiger als ihre Verwandte aus Valencia. Reis mit Kaninchen, Reis mit Rebhuhn vor allem aber Reis mit Meeresfrüchten oder „arroz a la marinerea“ sind besonders häufig in den Restaurants von Conil, Vejer, Barbate und Tarifa zu finden.

 

Ein weiterer Klassiker sind die Pinchitos Morunos - maurische Spiesschen. Das sind kleine Spiesschen mit marinierter Hühnerbrust die angeblich noch auf die arabisch Zeit zurückgehen. Sie sind der Hit auf allen Ferias und Romerias. Generell gibt es viele Gerichte, und vor allem Zutaten, die aus jener Zeit stammen. In der Hühnersuppe z.B. schwimmt immer auch ein Minzblatt. Michreis mit Zucker und Zimt haben erst die Mauren mitgebracht.

 

Auch Orangenblütenwasser kommt gerne zum Einsatz. Hauptsächlich bei Backwaren. Das Brot von Cádiz oder „Pan de Cádiz“ ist auch anders als man sich vorstellt. Es handelt sich hierbei um einen mit kandierten Früchten gefüllten Marzipanlaib. In den Bergen gibt es unzählige Gebäcksorten auf Basis von Mandeln, Honig und orientalischen Gewürzen. Eine Tradition die interessanterweise von den Nonnen in den vielen Klöstern weitergeführt wurde. Die Nonnen bekamen aber auch reichlich Spenden an Eigelb, das bei der Weinproduktion übrig blieb, und so haben sich weitere süsse Sünden dazu gesellt. Der Himmelsspeck zum Beispiel besteht nur aus Zucker und Eigelb. Wer nach der Eroberung allen deutlich machen wollte ein Christ zu sein ass natürlich auch süsses Gebäck auf Basis von Schweinemalz. Generell ist Schweineschmalz in der Region sehr beliebt und es gibt sogar eine quietsch-orangefarbene Variante – manteca colorada. Für die Farbe ist getrocknete Paprika zuständig.

 

Der Weinbau jedoch geht zurück bis auf die Phönizier. Die haben vor 3000 Jahren die Reben und den Weinbau aus der Region des Libanon mitgebracht. Der heutige Name dieser edlen Tropfen geht zurück auf den arabischen Namen der Stadt Jerez: Scherisch. Schon unter den Römern wurde der Wein der bei Jerez angebaut wurde zum Exportschlager. Das Ausbauverfahren des Sherryweines, so wie wir es heute kennen, und damit auch seine Aromen, entwickelte sich allerdings erst im 18. Jahrhundert vollständig. In den Bodegas in Jerez, El Puerto de Santa María und Sanlucar de Barrameda wird aber nicht nur Sherry ausgebaut sondern auch Brandy de Jerez und andere Weine. In den letzten zwei Jahrzehnten sind in der Provinz neue Weinberge dazu gekommen und neue moderne Weine kreiert worden. In Conil, Vejer, Arcos .... Wer Wein zu seinem Hobby gemacht hat wird in Cádiz mit dem Besuch der Weinberge und Bodegas – so werden Weinkellereien in Spanien genannt – gleich mehrere Wochen beschäftigt sein.

 

Vielleicht ist das Kapitel über Fisch etwas zu kurz gekommen. Aber es gibt einfach zu viel davon, um das hier im Detail auszuführen.  Fisch ist das, was man in Spanien und vor allem in der Provinz von Cádiz, erwartet. Spanien hat den zweithöchsten Fischkonsum der Welt. Die Vielfalt vor der Küste ist immens. Auch der rote Thun wird hier gefangen. Seezungen, Doraden und ander leckere Fische werden auf natürliche Weise in den vielen Salinen der Bucht von Cádiz grossgezogen. Der Salzgehalt in den Becken ist höher als im offenen Ozean – die Qualität der Fische auch. Vielleicht liegt genau hier das Geheimnis für nachhaltiges Aquafarming. Noch quellen die Märkte der Region über, mit dem reichhaltigen Fischangebot, und man hofft, dass es so bleibt. Die ersten Fischfarmen der Bucht sind vielversprechend. So ganz nebenbei sei noch erwähnt, dass sich in Cadiz auch das südlichste Forellengebiet Europas befindet.

Über die Küchen von Cádiz kann man ein ganzes Buch schreiben. Das Einfachste aber ist, man kommt her und probiert es aus. So wie es schon Strabon vor 2000 Jahren empfohlen hat.

                                                                                                                                                                           Redaktion Heike Mai

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